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Letter from Tokyo 8 - Natursekt, Schusswaffen und jede Menge Seil - Stripper, Macker, Bauernfänger

Von Dr. D. Vice

Etwas bange ist mir schon. Aber bequem ist er. Muss man schon sagen. Der Nussfoltersitz. Zur Linken die holde Nicole, zur Rechten die schnuckelige Anna. Beide im artigen Matrosen-Outfit. Es sind Drachenmanns Mädels. Aber man kann ja nie wissen. Hab’ also beide Hände in Sicherheitsstellung. Über dem Hosenschlitz.

Weiter vorne Drachenmann — in Japan längst zum Drachengott Ryujin erhoben. Hinter dem Steuer Osada Steve. Wir brettern die Autobahn runter in Richtung Funabashi, wo Steve heute zwei Auftritte hat.

“Wenn das so weitergeht”, murmelt Osada, “werde ich mir bald meine Hände versichern lassen. Wie damals Marlene Dietrich.” “Das waren doch deren Beine”, wirft Drachenmann ein. “Ja, schon. Aber schau dir mal meine Pfoten an.” Tatsächlich sind Osadas Hände umwickelt und geklebt wie die eines Boxers. Nur hier und dort lugt ein wenig Kräuterpflaster hervor. Sicherlich ein Geheimrezept. Osadas Finger, die ohnehin alle wie Daumen aussehen, sind kaum noch auszumachen. Auch älter sieht er aus. Älter als vor zwei Jahren, als ich ihn das letzte Mal sah. Scheint ein hartes Brot zu sein, dieses Bondage-Business.

“Wieso sind denn deine Hände so kaputt? Hattest wohl Ärger mit ‘nem Macker von deinen Bondage-Mädels”, feixt Drachenmann. “Das habe ich mir in Osaka eingehandelt. Mit 80 Auftritten in 20 Tagen”, schimpft Osada Steve, der ja, wie Insider wissen, vom ehrwürdigen Meister Osada Eikichi den Osada-Namen (nebst beachtlichem Harem, ganz zu schweigen vom Business) vererbt bekam. “Dumm wie ich bin, habe ich jede Performance volle Pulle durchgezogen. Mit fünf verschiedenen Hängebondages je 40-Minuten-Auftritt. Die anderen Typen haben ihre Bräute die ersten fünf Minuten allein auf die Bühne geschickt. Zum Selbstbondage. Vier Frauen habe ich verbraucht. Und alles für lappige 10.000 Euro.”

Der hat gut reden, denke ich. Und Drachenmann wendet diplomatisch ein: “Na hör mal, zehn Mille sind doch eine schöne Stange Geld. Kannst du bei uns auf dem Kiez auch nicht so schnell verdienen.”

Recht hat er, denke ich. Obwohl. Auf dem Kiez. Mit den richtigen Mädels. Da sollten doch 500 Euro am Tag drin sein. Oder nicht? Das würde ich schon drauf haben. Dann könnte ich mir auch so einen Schlitten leisten wie Osada Steve. Mit Bar und allem Drum und Dran.

Wir sind mittlerweile von der Autobahn runter und segeln in gemäßigtem Tempo in eine verschlafene Vorstadt Tokios, bevor wir vor einem kleinen Theater halten. Einem Strip-Theater. Einem Etablissement, das in der Regel keine Ausländer reinlässt. Wo draußen, hinter Vitrinen, Fotos von üppig ausgestatteten Mädels hängen. Nur sind heute und für die nächsten zehn Tage keine Stripper angesagt, sondern SM-Performances.

“Okay”, sagt Steve, “schnappt euch die besten Plätze. Ich
gehe derweil Backstage und ziehe mich um.” Wir tappen auf leisen Sohlen ins Theater. Auf der Bühne steht eine blutjunge Dominatrix mit lechzender Nilpferdpeitsche. “Hey, Schnuckelchen”, schnalzt sie und blickt mich scharf an. “Du willst doch sicherlich mit meiner Peitsche Bekanntschaft machen”, fährt sie fort. “Nein danke, ehrwürdige Herrin”, röchele ich in gebrochenem Japanisch. ‘Wenn die nur wüsste,’ denke ich, ‘dass ich mit SM absolut nichts am Hut habe. Und wenn überhaupt, dann wohl ein Meister wäre. Ist doch viel cooler.’

Mistress Nana, so heißt die Dame, scheint mein energisches ‘Nein’ falsch zu interpretieren und kommt jetzt voll in die Gänge. “Komm schon, Kleiner. Darfst auch hinterher etwas Natursekt kosten”, lockt sie belzebubisch charmant. ‘Du meine Güte!’ entfährt es mir — aber so, dass es niemand hört. Die Frau zählt maximal 22 Lenze. Und sie ist genau mein Typ. Lange Beine, lange Mähne. Funkelnde Augen, gazellenhafter Gang. Und diese Oberweite! Aber ich kann doch hier nicht vor versammelter Mannschaft . . . Und wer weiß, wenn ich erst einmal auf der Bühne bin, holt sie womöglich eine Pimmelpeitsche hervor oder stößt gemeine Sachen in mich hinein! Welch ein Gedanke! Okay, Osada Steve ist ja am Schminktisch. Und die ca. 50 Japaner, die mich teilweise hämisch, teilweise als Buhler um die Gunst der hübschen Dominatrix betrachten, können mir egal sein. Und Drachenmann und seine Mädels, die kommen ohnehin nur einmal im Jahr nach Japan . . .

Aber ehe ich entschlossen rufen kann: „Sehr wohl, Herrin und Gebieterin, es wird mir eine Freude sein, Eurer Durchlaucht zu dienen . . .“, tönt es plötzlich in feinstem Englisch aus ihrem Munde: „Hello baby! That’s f*ck*ng big tits, you got there! Are these real?“ Für Mistress Nana war ich dann wohl doch zu wankelmütig, denn ihr Augenmerk hat sich jetzt der holden Nicole zugewandt. „Why don’t you cum up here and masturbate for us, you little slut?“ Auf gut Deutsch gesagt: „Komm schnell rauf zu mir und hol dir einen runter, du kleine Schlampe.“ Aber auch Nicole scheint zu zögern. Zwar will sie gern vor ihrem Meister sich auf einer drehenden Bühne einen runterholen. Aber ohne dass es der Meister persönlich befiehlt, klappt das nicht. Oder doch? Aber bei Mistress Nana scheint heute kein Wankelmut angesagt, denn ohne lange zu fackeln fährt sie fort, „Also wenn ihr alle solche Lahmärsche seid, dann singe ich eben ein Lied.“ Und genau das tut sie. Was für ein Lied es ist, ich weiß es nicht. Es ist aber ein solches, zu dem man eine lange Nilpferdpeitsche tüchtig schnalzen lassen kann.

Bei ihrem nächsten Auftritt werde ich mich in die vordere Reihe setzen. Ein Blick auf das Programmplakat an der Wand sagt mir auch genau, wann das sein wird. Um 15:20 nämlich. Und danach erneut. Um 18:40. Insgesamt sind heute sechs Performer angesagt. Mistress Nana, meine, wenn alles klappt, künftige Gebieterin; Kazami Ranki, ein Seilkünstler, dem nach langen Jahren der Durchbruch in die Oberliga gelungen ist; Mira Kurumi, der SM-Illusionär, der niemals das gleiche Hemd zweimal trägt und täglich seine Haarfarbe wechselt; dann noch zwei weibliche Einzelkämpfer, die eine Mischung aus Striptease und Peitschen-, Ketten-, Rasseln-Repertoire darbieten; und natürlich Osada Steve.

Die Rope Artists müssen sich traditionell 40 Minuten lang je Auftritt abschuften, während bei den Mädels der Vorhang bereits nach 20 Minuten fällt. Nach Adam Riese sind das (3 x 20 plus 3 x 40) drei Stunden reine Bühnenzeit. Da das Theater elf Stunden lang geöffnet ist, kommt jeder Darsteller dreimal dran – manch einer öfter, Osada Steve heute nur zweimal. Ist wohl auch eine Frage der Gage. Einzeldarsteller, die auf der Bühne Einläufe verpassen, sind sicherlich preiswerter als Seilmacker, die ihr Handwerk lange erlernen müssen und auch noch ihre eigenen Modelle mitbringen.

Aber jetzt zum nächsten Auftritt. Eine hübsche Frau mit Schlitzkleid und überdimensionalem Fächer vollführt schlangenartige Bewegungen – ein ganz spezieller Tanz ist es wohl, den nur sie beherrscht. Aber ist das nicht Mira Rami? Die Dominatrix, von der man sagt, sie hätte Mistress Natsuki, ihrer Geschäftspartnerin, den Sklaven ausgespannt? Nicht irgendeinen. Nein. Einen in der Hose gut bestückten, vor allem aber gut betuchten jungen Mann, der sein Geld mit Computer-Game-Software gemacht hat. Sie führt den Namen Mira zur Ehre ihres Meisters Mira Kurumi. Der wiederum steht plötzlich auf der Bühne in einem Kungfu-Shaolin-Ninja-Outfit. Jetzt heißt es Obacht geben. Denn Kurumi ist nicht nur mit der Seilkunst vertraut, sondern auch ein richtiger Zauberer vor dem Herrn. Eine Hand hat er, wie Napoleon, in der Weste stecken. Die andere hinter seinem Kreuz. Er zieht nun die Hand aus der Weste. Die Hand ist leer. Er bringt nun die andere hervor. Auch die ist leer. Er holt nun ein Schnupftuch aus der Westentasche. Nur dieses ist nicht leer, denn aus ihm heraus schwirrt ein Zauberstab. Und aus dem Zauberstab ward alsdann ein Schwert. Und das Schwert steckt er nun seiner hübschen Assistentin in den Schlund. Damit’s auch wohl bekommt, schiebt er gleich zwei Dutzend Rasierklingen nach.

Mira Rami schluckt und schluckt. Man sieht, wie es schmerzt, wenn die eine oder andere Klinge zwischen Kehle und Mageneingangspforte die Richtung wechselt.

Mira Kurumi hat sich inzwischen Chirurgenhandschuhe übergestreift und greift nun seiner Schülerin/Sklavin/Assistentin in den Rachen. Er wird ihr doch nicht das Gaumenzäpfchen herausreißen? Bei Mira Kurumi kann man nie wissen. Aber keine Bange. Fein aufgereiht an einem Fädchen zieht er jetzt die Rasierklingen aus dem Mund. Ist noch mal gut gegangen, denke ich. Aber was ist mit dem Schwert? Das kann sich doch nicht in Luft auflösen. Oder war es etwa eines dieser Biokost-Schwerter aus einem Reformhaus?

Der Ninja-Magier-Übermeister ist jetzt wacker dabei, die stocksteife Frau – das Schwert ist noch längst nicht verdaut – zu fesseln. Flink ist die Dame gut verschnürt. Da gibt es kein Entkommen. Natürlich könnte ich auf die Bühne stürmen und die Prinzessin retten. Aber dann schmeißen sie den depperten Ausländer womöglich raus. Und dann ist es Essig mit dem Natursekt von Mistress Nana. Nachher um 15:20.

Au weia!!! Mira Kurumi hat plötzlich eine Wumme gezogen. Sieht aus wie eine Mauser. Wird doch nicht geladen sein? Bei Mira Kurumi kann alles passieren. Wäre doch aber nicht in Ordnung. Obwohl, was heute hier abgeht, da ist so manches nicht „in Ordnung“. Die Sitte kann den Laden hier jederzeit dicht machen. Aber wenn die Bullen kommen, zücke ich einfach meinen Presseausweis.

PENG! kracht es plötzlich. Ein Schuss hat sich gelöst! Zum Glück ist niemand verletzt. Es war ein Meisterschuss. Die Kugel ist durch die Bondage gegangen, ohne die Haut zu verletzen. Die Bondage ist weg! Die Frau ist frei! Welch ein Schuss! Die Menge tobt.

Bei Mira Kurumi werden keine Kunstpausen eingelegt. Die Bondage mag durch den lauten Knall, die Spezialkugel oder aufgrund irgendeines Tricks spurlos verschwunden sein. Aber was so ein rechter Seilmeister ist, der hat Seil wie Sand am Meer. Und ehe Zeit zum Hochklappen der Kinnlade bleibt, hängt die Frau bereits an allen Vieren in der Luft. Das ist die Vorstufe zum berüchtigten Tanuki-Shibari. Die Frau ist längst splitternackt, und wie sie dort hängt, die Beine breit, man könnte sie jetzt im Stehen benutzen oder auch mit diversem Spielzeug gemein zu ihr sein. Mal sehen, was Mira Kurumi dazu einfällt. Er wird doch wohl nicht einen Zuschauer nach oben bitten, um die hilflose Rami zu schlecken? Oder gar zu bumsen? Also Pariser hätte ich ja jede Menge dabei. Denn wenn man mit Osada Steve auf die Pirsch geht, die Erfahrung zeigt es, muss man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

Mira Kurumi hat sich jetzt entschlossen. Eine Snake hat er gezückt und lässt sie dort, wo sich die Beine der artig rasierten Rami begegnen, niederprasseln. Dies veranlasst die Schöne, das knackige aber gebärfreudige Becken aus der Schlaglinie zu nehmen. Und was einfacher, als den Körper in die Tanuki-Position zu bringen. Aber genau das wollte der Meister ja, denn jetzt kann er das Flagellanten-Programm durchziehen – solange, bis Rami es nicht mehr aushält, und wieder in die Ausgangsstellung dreht. Dieser salto mortale wird mehrmals wiederholt, bis Mira Kurumi die hängende Rami besteigt und ihren Körper zur Schaukel entfremdet. Und dies alles, während die tapfere Domina nur an ihren Hand- und Fußgelenken hängt.

„Was denn, du lebst immer noch?“, scheint Mira Kurumi zu denken, als er endlich absteigt. Und flugs steckt er die nach Luft japsende Rami in eine Art Pranger-Guillotine und stößt drei Schwerter durch sie hindurch. Die kalten Klingen durch die Handgelenke kann Rami noch ganz gut verkraften. Obwohl, schreien tut sie wie am Spieß. Als das dritte Schwert dann aber durch den Nacken fährt, ist es aus. „Sanitäter!“ will ich rufen, aber ich verkneife es mir. Die Bühne wird abgedunkelt, das Grande Finale ist vorbei.

Es bleibt kaum Zeit, sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen, als bereits Kazami Ranki die Bühne betritt. Kazami ist dafür bekannt, dass er seine Frauen besonders hart ran nimmt. Und das tut er dann auch. Wahrscheinlich diesmal mit extra Gusto, weil er wohl Drachenmann unter den Zuschauern wähnt. „Schau her, Ryujin“, scheint er zu meinen, „jetzt wollen wir mal sehen, wer von uns beiden der Härtere ist auf der ganzen Welt.“ Zum Glück fließt kein Blut. Aber die Kleine wimmert und schreit, es kann einem das Herz zerbrechen.

Kurze Pause, dann Osada Steve. Kurze Pause, dann eine tanzende Domina in gesetztem Alter. Es gelingt ihr, einen Buchhaltertypen auf die Bühne zu locken und ihm einen Einlauf zu verpassen. Wieder kurze Pause, dann ein Selbstbondage-Akt. Die Frau könnte ruhig knackiger aussehen. Und schon ist es 15:20. Und ich sitze direkt an der Bühne. Etwas geht mir schon die Muffe. Kann man ja ruhig zugeben. Denn jetzt kommt wieder meine Herrin und Gebieterin.

Ohhhh. Was ist das? Mistress Nana hat diesmal eine süße kleine Sklavin mitgebracht, die sie nun genussvoll vernascht. An den Fußgelenken hängt sie ihr Opfer auf und taucht den Kopf in einen Fischtank ein. Wasserfolter der ganz besonderen Art. Backpfeifen teilt sie aus, dass es nur so knallt. Und zum Schluss besorgt sie es der Kleinen mit einem Gummischwanz, den sie sich kunstvoll um ihre Hüfte schnallt. Den Natursekt kann ich mir abschminken. Stattdessen versetze ich mich in die Kleine, wie sie so schön leidet. So schön werde auch ich für meine Herrin leiden. Wenn mich Mistress Nana doch nur erhören würde .

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